Der Maler Wonkun Jun stammt aus Seoul und lebt seit 25 Jahren in Deutschland. Bei seiner Arbeit schöpft er aus beiden Kulturen. Ein Gespräch über Farben und die heilende Wirkung der Kunst.
Wonkun, was macht deine Kunst aus?
Das Wichtigste ist für mich Reduktion, die Konzentration auf das Wesentliche. Ich arbeite mit wenigen Formen und einer sehr reduzierten Farbpalette: Rot, Gelb, Blau und Weiß. Daraus entstehen alle Farbtöne, die ich für meine Bilder brauche. Nicht durch Mischen, sondern indem ich 20, 30 oder noch mehr transparente Schichten ganz dünn übereinander auftrage und so neue Farben schaffe. Welche ich verwende, hängt von den Emotionen ab, die ich ausdrücken möchte. Farben sind für mich der Spiegel meiner inneren Welt.
Das klingt nach einem aufwendigen Prozess. Wie lange brauchst du für ein Bild?
Na ja, das kommt natürlich auf das einzelne Gemälde an. Aber es stimmt schon, mein Malprozess dauert lange, ich brauche Geduld. Zwischen den einzelnen Farbschichten, die ich auftrage, muss ich zum Beispiel immer wieder Trockenzeiten einhalten. Ich experimentiere auch viel, um genau den Effekt zu erzielen, der mir wichtig ist. Und ich bin bei meiner Arbeit von der Natur abhängig, von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Licht. Manche Bilder können zum Beispiel nur im Winter entstehen, weil die Farbe dann langsamer trocknet und das bestimmte Effekte möglich macht. Andere kann ich nur im Sommer malen. Das passt aber zu mir; meine Malweise spiegelt meine Lebensweise.
Wonkun Jun
1970 in Seoul geboren, studierte Freie Malerei an der Chugye Kunsthochschule in Seoul und an der Kunstakademie Düsseldorf. Heute arbeitet Wonkun Jun mit Galerien in Europa und Asien zusammen. Seine Werke sind vielfach ausgezeichnet.
Siehst du dich eigentlich als koreanischen oder als europäischen Maler?
Die Frage stelle ich mir gar nicht. Natürlich steckt die koreanische Kultur in mir. Ich bin in Seoul aufgewachsen, habe dort studiert und fühle mich meinem Heimatland sehr verbunden. Gleichzeitig lebe ich aber seit 25 Jahren in Deutschland und bringe auch diese Erfahrung mit in mein Werk ein. Interessanterweise werde ich in Europa immer als typisch asiatischer Künstler wahrgenommen – die Reduktion, das Minimalistische finden Europäer typisch asiatisch. In Korea sagen dagegen immer alle: „Du malst so europäisch“ – also aus der eigenen Erfahrung heraus, ohne explizite Anknüpfung an klassische Symbolik. Ich denke, ich bin ein guter Mix.
Woher nimmst du deine Inspiration?
In meinen Bildern drücke ich meine Erfahrungen aus. Diese Erfahrungen muss ich natürlich erst mal machen. Ich reise sehr gern, lerne gern neue Menschen kennen, lasse mich von der Natur inspirieren. Ich habe mich auch immer schon sehr für Geschichte und Archäologie interessiert. Wenn ich in Korea bin, besuche ich zum Beispiel immer historische Gebäude und schaue mir die Materialien und Farben an, die dort verwendet wurden. Ich will wissen, wie sie verarbeitet wurden, wie sie nach Jahrhunderten aussehen. Auch traditionelle koreanische Keramik, die hellblauen Farbtöne, die dort eingesetzt werden, faszinieren mich. Wenn ich male und ähnliche Farben verwende, denke ich darüber nach, wie Künstler vor Hunderten von Jahren auf diese Farben gekommen sind, und fühle mich über die Zeit hinweg mit ihnen verbunden. Zusammenfassend kann man vielleicht sagen: Mein Werk kommt aus der Vergangenheit, aus meinen eigenen Erfahrungen, die auch mit der Kultur und der Geschichte Koreas zu tun haben. Es ist auch eine Verbindung zur Vergangenheit.
Ich bin bei meiner Arbeit von der Natur abhängig, von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Licht.
Was willst du mit deiner Kunst erreichen?
Wie bereits erwähnt, suche ich gerne nach Spuren der Vergangenheit. Solche Spuren möchte ich auch selbst hinterlassen, vor allem von dem, was ich gefühlt habe. Das ist sehr wichtig für mich. Außerdem hoffe ich, dass
ich mit meinen Gemälden Menschen trösten kann, die innerlich verletzt sind. Wenn ich mich als Kind unglücklich und allein gefühlt habe, habe ich mich mit stundenlangem Malen und Zeichnen getröstet. Und damit, mir Kunst anzuschauen. Das funktioniert auch heute noch. Ich denke, dass Kunst eine heilende Wirkung hat, und möchte, dass auch andere Menschen dies erleben.
Haben deine Bilder eine Botschaft?
Nein, ganz bewusst nicht. Ich möchte, dass Menschen, die meine Bilder betrachten, ihre eigenen Erfahrungen und Assoziationen einbringen. Das ist auch der Grund, warum meine Gemälde keine Namen haben. Ich will nichts vorgeben.
Maximale Reduktion: Wonkun Jun arbeitet mit nur wenigen Formen und nutzt ausschließlich die Farben Rot, Gelb, Blau und Weiß. Diese trägt er Schicht um Schicht auf.
In deinen Werken stecken so viel Zeit und so viele Gefühle. Ist es nicht unglaublich schwer, sich davon zu trennen?
Nein, überhaupt nicht. Für mich ist ein fertiges Gemälde nicht das Ende der Arbeit, sondern der Schritt zum nächsten Bild. Was ich durch den Arbeitsprozess bei einem Bild gelernt habe, fließt in das nächste Werk ein. Malen ist Know-how sammeln, in jedem neuen Gemälde steckt mehr davon als im letzten. Diese ständige Weiterentwicklung, malerisch und persönlich, ist das Entscheidende für mich. Deshalb freue ich mich, wenn ich ein Bild verkaufe. Dann kann ich Material für mehrere neue kaufen.
Du lebst und arbeitest hauptsächlich in Düsseldorf, bist aber auch regelmäßig in Korea. Wie erlebst du das Land?
Ich bin jedes Jahr für mindestens einen Monat in Seoul. Ehrlich gesagt ist es jedes Mal ein Kulturschock. Die Stadt verändert sich so schnell. Das ist toll und spannend, aber es gehen auch Dinge verloren. Ich würde mir wünschen, dass Menschen in Korea ihre Idee von Wohlstand umdefinieren, sich auch Zeit nehmen, um zum Beispiel Kunst zu genießen. Das hohe Tempo ist nicht immer gut. Es geht auch darum, Dinge langsam und auf Dauer zu entwickeln. Kunst kann Jahrhunderte überdauern und uns mit der Vergangenheit und der Zukunft verbinden. Das finde ich wichtig.
Text: Dagmar Puh, Fotos: Julia Sellmann