Schon 2028 will der amerikanische Fluggerätehersteller Supernal hoch hinaus: Dann will die Tochter der Hyundai Group das erste Flugtaxi in die Luft bringen. Bis dahin soll auch die Infrastruktur für die neue Technologie stehen. Wie das Unternehmen den Mobilitätsmarkt weiterentwickeln und das Kundenvertrauen stärken will.
Die Zukunft der urbanen Luftmobilität ist ein verglastes Leichtgewicht – und erinnert an einen Schmetterling oder eine Libelle: ein ovaler Körper mit großen Facettenaugen zwischen vier lang gestreckten Flügeln. Die geräumige Kabine bietet Platz für fünf Passagiere, denen sie einen spektakulären Ausblick aus großen, rund gewölbten Kabinenfenstern gewährt. Noch ist das „electric vertical take-off and landing aircraft“, kurz eVTOL, ein Prototyp. Doch bereits 2028 will die Hyundai Tochter Supernal das Fluggerät in Serie produzieren. Das würde grundlegend verändern, wie sich Großstädter im urbanen Raum bewegen können. Denn das eVTOL kann von seinem Landeplatz in der City senkrecht in die Luft starten, wo es sich dann leise surrend zum gewünschten Zielort bewegt – beispielsweise zu stadtnahen Randgebieten wie Flughäfen oder Bahnhöfen. Eine Alternative zum Individualverkehr mit dem Auto oder eine neue Option zum öffentlichen Nahverkehr – leise, umweltfreundlich und zeitsparend.
Was heute noch klingt wie Zukunftsmusik, ist für Jaiwon Shin, CEO von Supernal und Präsident der Hyundai Motor Group, nur noch eine Frage der Zeit. Bereits im Juli 2022 zeigte das Unternehmen bei der britischen Farnborough International Airshow ein fertiges Kabinenkonzept seines eVTOL. „Ja, wir haben kühne Ziele bei Supernal, aber der Erste auf dem Markt zu sein, gehört nicht dazu“, sagt Jaiwon Shin. „Wir arbeiten daran, das richtige Produkt und einen integrierten Markt zu entwickeln. Und wir werden das skalierte Fertigungs-Know-how der Hyundai Motor Group nutzen, um sicherzustellen, dass Advanced Air Mobility bezahlbar und für die breite Masse zugänglich ist.“
Supernal ist eines von mehr als 50 Pionierunternehmen im Netzwerk der Hyundai Motor Group, die aus dem strategischen Wandel des Konzerns vom Automobilhersteller zum Anbieter intelligenter Mobilitätslösungen hervorgegangen sind. Das Ziel: Synergien zu schaffen und die eigenen Fertigungsmöglichkeiten von der Autoindustrie auf die Luftfahrt zu übertragen. Supernal will daher seine Produkte für Advanced Air Mobility (AAM) in bestehende Verkehrsnetze integrieren und so nahtlose intermodale Verbindungen anbieten. Fahrgäste könnten dann – ähnlich wie bei den derzeitigen Mitfahrplattformen – mit einer einzigen App ihre gesamte Reise planen. Sie reisen dann beispielsweise mit dem Auto oder der Bahn zu einem sogenannten Vertiport als Verteilerknoten. Von dort bewältigen sie mit einem eVTOL die letzte Meile.
Gerechter Zugang zum Luftraum
Eine Voraussetzung für den Erfolg von AAM ist ein unterstützendes Ökosystem. Mit dem neu gegründeten Air Traffic Management Consortium will Hyundai unterschiedliche Interessengruppen, wie öffentliche und private Einrichtungen, Hochschulen und Start-ups, vierteljährlich an einem Tisch versammeln. Dort können alle Beteiligten Erfahrungen und Erkenntnisse austauschen. „Der Ausbau einer digitalen Infrastruktur für neue Formen der Luftmobilität ist angesichts der unterschiedlichen Betriebsstandards im Luftraum und der geografischen Gegebenheiten eine Herausforderung“, sagt Supernal CEO Jaiwon Shin. „Es ist deshalb wichtig, dass wir verschiedene Parteien zusammenbringen, um eine sichere und effiziente Integration von AAM und einen gerechten Zugang zum Luftraum zu erkunden.“ Nur so könne nicht nur der Markteintritt klappen, sondern auch die öffentliche Akzeptanz gefördert werden, erklärt der Geschäftsführer.
So entstanden dann auch Design und Konzept des eVTOL in enger Zusammenarbeit mit Autodesignern und Ingenieuren der Hyundai Motor Group. Unter der künstlerischen Leitung von Chefdesigner Luc Donckerwolke ließ sich das Projektteam vom reduktiven Designansatz der Automobilindustrie inspirieren. Die Leichtbaukabine des eVTOL besteht aus Karbonfasern, ausfahrbare Sitzkonsolen ahmen die Mittelkonsolen von Autos nach und bieten Stauraum sowie Lademöglichkeiten für mobile Geräte. Die Innenbeleuchtung – inklusive spezieller Overheadlichter, die von Glasdächern im Auto inspiriert sind – passt sich den verschiedenen Flugphasen an. Die Passagiere sitzen in ergonomisch konturierten Sitzen wie in Kokons. „Das Supernal eVTOL Vehicle Cabin Concept greift auf die Kompetenz der Hyundai Motor Group und die besonderen Fähigkeiten erfahrener Autodesigner zurück“, sagt Chefdesigner Donckerwolke. „Das hat es uns ermöglicht, ein neues Air Mobility Concept zu entwickeln, das nicht nur sicher und rational ist, sondern außerdem auch noch höchst emotional.“
Das Supernal eVTOL Vehicle greift auf die Kompetenzen der Hyundai Motor Group und erfahrener Autodesigner zurück.
Erst Batterie, später Wasserstoff
Das senkrecht startende und elektrisch betriebene eVTOL, das Supernal in den USA für innerstädtische Passagierflüge entwickelt, ist für Hyundai erst der Anfang. Die Unternehmensgruppe plant, eine ganze Familie elektrisch angetriebener Luftfahrzeuge auf den Markt zu bringen und gleichzeitig zugehörige Wertschöpfungsketten aufzubauen. So wird sich die in Südkorea ansässige Tochtergesellschaft von Hyundai Motor Company auf regionale Luftmobilität konzentrieren. Dazu will das Unternehmen ein wasserstoffbetriebenes mittelgroßes Luftfahrzeug für Passagiere und Fracht entwickeln, das von Stadt zu Stadt fliegen kann. Der Start dieser Luftfahrzeuge auf dem koreanischen Markt ist schon für die 2030er-Jahre geplant. Darüber hinaus wurde bereits eine hochrangige Kooperation mit dem renommierten, britischen Triebwerkshersteller Rolls-Royce gesichert. Beide Unternehmen haben den Plan gefasst, gemeinsam am Thema Wasserstoff- Brennstoffzellen zu arbeiten sowie die dafür benötigte Infrastruktur und entsprechende Lagerungssysteme zu entwickeln. Batteriebetrieben regional und wasserstoffbetrieben überregional – Hyundai hält auch weiterhin an seinem strategischen Fokus auf beide Technologien fest. „Wir haben Brennstoffzellensysteme schon erfolgreich für den Automobilmarkt entwickelt und werden jetzt die Integration von elektrischen und Wasserstoff-Antriebstechnologien in die Luftfahrt erkunden“, sagt Jaiwon Shin. „Wir glauben, dass dies die Schlüsseltechnologie ist, um das Ziel der Luftfahrtindustrie zu erreichen, bis 2050 klimaneutral zu fliegen.“
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Text: Matea Prgomet, Fotos: Supernal; Getty Images/Bim