Mit dem Elektroauto in den Urlaub zu fahren, verbreitet sich dank eines immer dichteren Netzes an Ladestationen in Europa inzwischen recht schnell. Doch mit dem E-Auto auch einen Wohnwagen ziehen? Das geht nicht ohne Reichweiteneinbuße. Stimmt das wirklich? Hyundai Experte Karl Hell hat alle Antworten.
Karl Hell
Direktor Aftersales bei Hyundai Motor Deutschland. Unser Experte entlarvt Mythen des mobilen Alltags. Heute widmet sich der passionierte Wohnmobilfahrer Karl Hell der Frage, ob es sinnvoll ist, mit einem E-Auto und Wohnwagen in den Urlaub zu fahren.
Welche Elektroautos können einen Wohnwagen ziehen und wie weit?
Der Hyundai IONIQ 5 mit einer Batterieleistung von 77,4 kWh und Heck- oder Allradantrieb kann einen gut ausgestatteten Wohnwagenanhänger, der bis zu 1,6 Tonnen wiegt, mühelos ziehen und ist auch dafür zugelassen. Aber natürlich steigt dabei der Stromverbrauch, und die Reichweite des Wagens reduziert sich. Auf einer Reisestrecke von 1 000 Kilometern sollte man mit vier bis fünf Ladestopps rechnen.
Aber ist das überhaupt sinnvoll?
Mit einer anderen Erwartungshaltung schon: wenn der Weg das Ziel ist. Reisen mit Elektroauto und Wohnwagen sind mit dem gewohnten Campingurlaub nicht vergleichbar. Hat man sich aber von einer solchen Vorstellung einmal gelöst, kann man eine ganz neue Art des Reisens für sich entdecken. Ich genieße dann beispielsweise bei schöner Musik die Aussicht oder unterhalte mich mit meinen netten Mitreisenden – und das ganz entspannt bei einer Geschwindigkeit von rund 80 km/h. Und die Ladestopps von 15 bis 30 Minuten sind dann willkommene Pausen. Auch ein Kurztrip in die Natur oder an den See, der weniger als 100 Kilometer entfernt liegt, ist mit E-Auto und Wohnwagen sogar sehr sinnvoll. Nach der Ankunft kann das Auto über die V2L-Funktion den Wohnwagen nämlich mit Strom versorgen. Dadurch sind Camper nicht mehr auf die Steckdosen der Campingplätze angewiesen und können auf Wohnmobilstellplätze ohne Stromversorgung ausweichen. Hier macht das Elektroauto unabhängig. Ein klarer Vorteil gegenüber dem Verbrenner!
Und wenn doch die Ferne lockt?
In diesem Fall muss man die Etappen gut vorplanen und dann vorausschauend fahren. Mit seinem Beifahrer sollte man außerdem gut im Team arbeiten, um freie Lademöglichkeiten, die in den Lade-Apps angezeigt werden, nicht zu verpassen. Außerdem wichtig zu berücksichtigen: In die Haltebuchten an vielen Ladepunkten passt zwar das Elektroauto hinein, aber nicht zusammen mit dem Wohnwagen. Heißt: Dieser muss zuerst abgekoppelt werden, bevor der Ladeprozess gestartet werden kann. Generell sollte man darauf verzichten, mit Vollgas zu fahren, auch wenn eine Geschwindigkeit von 100 km/h technisch möglich wäre. So schnell zu fahren, verbraucht sehr viel Strom.
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Illustration: André Gottschalk
Text: Corinna Bremer