31.05.2023 Story

Fünf neue Foodtrends von Neurogastronomie bis NOLO-Drinks

Schon mal was von Neurogastronomie, Alt-Proteinen oder NOLO-Drinks gehört? Wir haben fünf der neuesten Foodtrends zusammengetragen.

Grafik: ALT-Proteine

ALT-PROTEINE

Zellkulturen auf dem Teller

Immer mehr Firmen züchten Fleisch und Fisch im Labor → 107 Unternehmen arbeiten aktuell weltweit daran, tierische Lebensmittel – Fleisch, Fisch, Milch, Eier – auf Basis einer „zellulären Landwirtschaft“ nachzubauen, so der Thinktank Good Food Institute (GFI). Die Produkte zählen zur neuen Gattung der „Alt-Proteine“ oder „alternativen Proteine“. Lebensmittelunternehmen tüfteln ebenso an Zellkulturen, die Fleisch und Fisch in Geschmack und Textur immer ähnlicher werden, wie die Wissenschaft. Im Rahmen des neuen „Bayreuth-Kulmbach Alt Protein Project“ der Universität Bayreuth werden Vorlesungen wie „Grundlagen der Gewebezüchtung auf Zellkulturmedien“ oder „Wissenschaft und Kultur der Fermentation“ angeboten. Das Projekt der Uni Bayreuth ist seit dem vergangenen Jahr Mitglied im „Alt Protein Project“ des GFI, weltweit machen 36 Universitäten mit.

Alltagstauglichkeit: 5 von 10

Grafik: Schwarzwald-Miso

NEW GLOCAL

Schwarzwald-Miso

Exotisches wird zunehmend vor Ort produziert → Wer braucht Lupinen-Buchweizen-Miso aus dem Schwarzwald und Fischsauce vom Traunsee? Die Topgastronomie ist sich einig: Miso und Fischsauce gehören zu den Königinnen der Gewürze; mit den beiden asiatischen Zutaten schmecken Gerichte aufregender und komplexer. Die cremige Misopaste wird aus Sojabohnen in Asien hergestellt und auch die thailändische Fischsauce legt weite Wege zurück, bis sie in europäischen Kochtöpfen landet. Aber der Trend geht zur Regionalisierung und Neuausrichtung des globalisierten Ernährungssystems: Lokale Agrarstrukturen, kürzere und transparente Lieferketten werden immer wichtiger. Auf diesen globallokalen Mix, auch „New Glocal“-Trend genannt, setzen experimentierfreudige Foodunternehmer wie Peter Koch, der im Schwarzwald Misopasten aus regionalen Bio-Lupinen reifen lässt, oder Starkoch Lukas Nagl, der Beifang aus dem österreichischen Traunsee zu edlen Süßwasserfischsaucen vergärt.

Alltagstauglichkeit: 10 von 10

Grafik: Alkoholfreie Drinks

ALKOHOLFREIE DRINKS

Weniger ist mehr

Drinks mit wenig oder ganz ohne Alkohol werden immer beliebter → „NOLOs“ – Getränke mit „no and low alcohol“, aus hochwertigen Zutaten gemixt und voll neuer Geschmacksnuancen, liegen im Trend. Darunter finden sich neue Produkte wie beispielsweise Extrakte aus Kräutern, Pflanzen und Früchten, mit denen sich Longdrinks und Cocktails mischen lassen, die alkoholfrei, aber nicht zu süß sind. Oder geschmacksintensive Kräuterelixiere auf der Basis von grünem Tee, die angeblich nach Naturschutzgebiet, vom Regen dampfendem Fichtenwald, Kräutern und Pilzen, aber auch nach Nelken, Kardamom und kühlem Eukalyptus schmecken. NOLOs kommen dem gesellschaftlichen Trend zu bewusster Ernährung und einem zumindest hin und wieder alkoholfreien Lifestyle wie dem „Dry January“ entgegen. Neue Technologien und Prozessoptimierungen sorgen auch dafür, dass entalkoholisierte Biere und Schaumweine immer besser schmecken, denn die prickelnde Kohlensäure kompensiert den fehlenden Alkohol gut. Auch große Aperitifmarken haben schon auf den Trend reagiert und alkoholfreie Varianten ihrer Drinks auf den Markt gebracht.

Alltagstauglichkeit: 9 von 10

Fragik: pflanzliches Brathühnchen

ALGEN UND PILZE

Hühnchen aus dem Wald

Pflanzliche Alternativprodukte zu Fisch und Fleisch werden immer zahlreicher → Wie bereitet man einen Schwefelporling, das Huhn des Waldes, richtig zu? Wichtig ist, den gelben Baumparasiten jung und saftig zu ernten, sonst wird er zäh und schmeckt nicht mehr. Der Pilz sollte gepflückt werden, wenn er noch nicht zu orange und sein Rand noch rundlich und nicht ausgeklappt ist. So gegart, erinnert er geschmacklich an Hähnchenfleisch. Das bayerische Start-up Walding Foods züchtet den Pilz in Lebensmittelqualität und meldet dafür gerade ein Patent an. Auch bei pflanzlichen Fischalternativen ist viel in Bewegung: An der Technischen Universität München etwa arbeitet das Start-up Koralo am gesunden und ökologischen Fisch von morgen, indem es Mikroalgen fermentiert. Während der Fermentation fressen Mikroorganismen die Algen. Was daraus entsteht, ist eine Art pflanzlicher Fisch und das Ergebnis ist ein nahrhaftes weißes Fischfilet. „2023 wollen wir unser Produkt in deutschen Supermärkten haben. In fünf Jahren wollen wir in ganz Europa zu finden sein und den Markteintritt in den USA und in Asien schaffen“, so die Koralo-Gründer.

Alltagstauglichkeit: 7 von 10

Grafik: mit allen Sinnen essen

NEUROGASTRONOMIE

Multisensorische Erlebnisse

Geschmack wird nicht nur von Aromen, sondern auch von Erinnerungen und Gefühlen bestimmt → Wer im ländlichen Drei-Sterne-Restaurant „The Fat Duck“ westlich von London eine Meeresfrüchteplatte bestellt, bekommt dazu Kopfhörer serviert. Der Starkoch Heston Blumenthal experimentiert seit Langem mit den Erkenntnissen der Neurogastronomie. Sie erforscht, wie die Geschmackswahrnehmung des Menschen funktioniert: Geschmack entsteht nicht auf der Zunge oder in der Nase, sondern im Kopf. Was Augen, Nase und Mund weitergeleitet haben, setzt das Hirn zu einem dichten Aromenbild zusammen – und neuronale Netzwerke wie Erinnerungen, Gefühle, Bewusstsein, Sprache mischen kräftig mit. Schmeckt der von Oma gekochte Pudding nicht am sahnigsten und ein Meeresfrüchteteller auf der Strandterrasse nicht frischer? Blumenthal lässt über Kopfhörer beim Essen das Geräusch von Brandung und Möwen erklingen – Wissenschaftler nennen das Erlebnis eine „superadditive Interaktion“: Stimmt ein Geschmack mit der im Gehirn verknüpften Umgebung überein, verstärkt er sich. Vielleicht sind Fischbrötchen auch deshalb im Hamburger Hafen am besten. Immer wieder experimentieren Köche, Wissenschaftler und Gastronomen mit prallem Lokalambiente und neuen Sinneseindrücken. Die multisensorische Atmosphäre beim Essen wird inzwischen viel mehr mitgedacht.

Alltagstauglichkeit: 3 von 10

Und wie die Zukunft bei Hyundai aussieht, kannst du dir hier anschauen.

Text: Corinna Bremer, Illustrationen: Emile Holmewood